Samstag, 20. November 2010

Keine Cola 1

Agathe war mal wieder zu Besuch und Julius zeigte ihr seine Aufzeichnungen.
Ich weiß nicht, sagte sie. Das alles wirkt auf mich sehr gekünstelt, aufgesetzt.
Vielleicht solltest du weiter zurück gehen. Was du heute bist, ist in deiner Kindheit entstanden, zumindest sind die Fundamente dafür gelegt worden. Damit solltest du dich mal beschäftigen.
Wenn ich daran denke, es war in den fünfziger Jahren, fällt mir als erstes ein, dass ich keine Cola trinken durfte. Das war Gift für meine Eltern.
Genau! So was! Ganz alltägliche Beobachtungen.
Schön, ich fange damit an und werde diesen Fragmenten den Titel „Keine Cola“ geben.
Wie wir wissen, ist Julius ein braver Junge und auch dieses Mal machte er sich gleich an diesem Abend ans Werk. Folgendes brachte er zu Papier:

Kammerwoog: Eine Badeanstalt in Idar-Oberstein, wo ich am 12. April 1949 geboren wurde. Hier hat man die Nahe gestaut, und so ist eine Badeanstalt entstanden, von der meine Mutter mir oft erzählt hat. Als Kind war ich auch des öfteren hier, doch da gab es schon ein richtiges Schwimmbad. Am Anfang steht das Wasser, der Fluß...

Schöfferhof: Eine Gastwirtschaft, in der sich mein Großvater, der Vater meiner Mutter mit Freunden zum Skatspielen traf. Meine Mutter hat ihn als junges Mädchen dort manchmal abgeholt, doch sie mußte warten und bekam eine Tafel Schokolade und ein kleines Bier.

Tünnes und Scheel: Zwei Kölner Witzfiguren, von denen mein Großvater, der aus Euskirchen stammte, öfter erzählt haben soll; auch meine Mutter hatte noch einige dieser Witze in ihrem Repertoire. Zum Beispiel: Tünnes hatte ein eigenes Flugzeug und überredete Scheel, doch einmal mitzufliegen. Scheel hat Angst, doch schließlich fliegt er mit. Tünnes führt ihm seine Künste vor, dreht auch einige Loopings. Nach der Landung fragt er seinen Freund: „Na, wie war’s?“ Scheel: „Schön, doch was ich vorher in der Hose hatte, habe ich nun im Hals.“

Bei Lenchen, in einer Kneipe in der Bismarckstraße, traf sich mein Onkel Franz am Samstagnachmittag mit Freunden zum Skatspielen. Dort durfte ich ihn abholen und bekam beim Warten eine Limonade und Salzstangen oder eine Bretzel.

Im Garten hinter dem Haus in der Bismarckstraße soll mein Großvater im April 1945, als die Amerikaner näher rückten, Waffen vergraben haben. Später habe ich danach gegraben, vergeblich.

Dieses mehrstöckige Haus konnte mein Großvater vor dem Krieg kaufen, weil er mit einer seiner Erfindungen genug Geld verdient hatte (angeblich ein Patent an die Firma Pelikan). Später hatte er mit seinen Erfindungen kein Glück mehr, er machte Schulden, sein Gehalt als Stadtrentmeister wurde gepfändet, das Haus mußte wieder verkauft werden. Die Familie lebte dort nur noch zur Miete.

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