Donnerstag, 30. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 8

Doch als er abdrückte, hörte er nur ein Klicken. Renate hatte das Magazin leer geschossen. Julius saß völlig apathisch da. Was tun? Fragte er sich. Da fiel ihm Agathe ein, Agathe, mit der er vor Jahren einmal ein Verhältnis gehabt hatte. Sie hatten sich in aller Freundschaft getrennt und sie war für Julius eine Art Beraterin in schwierigen Lebenslagen geworden. Er wählte ihre Nummer, doch nur der Antwortbeantworter meldete sich: „Ich bin zurzeit nicht erreichbar. Ich habe mich in meinem Gartenhaus am Oschenberg zurückgezogen.“ So machte sie es immer, wenn sie einmal ungestört sein wollte, wohl wissend, dass dieses Gartenhaus ihren besten Freunden bekannt war.
Julius nahm den Wagen, einen alten Peugeot 304, und in wenigen Minuten war vom Büro in der Gravenreuther Straße am Oschenberg. Die Tür war nicht verschlossen, leise berat er das Gartenhaus, das im übrigen recht luxuriös eingerichtet war. Agathe saß auf ihrem alten Biedermeiersofa. Ganz leise trat Julius hinter sie und ließ sich dann sacht neben ihr nieder. Sie erschrak nicht ein bisschen über sein unvermutetes Auftauchen, es war als ob sie ihn erwartet hätte. Und er fragte auch nicht, warum sie hierher gegangen sei. Er kannte sie nun schon lange und wusste, dass sie oft ganz plötzlich das Bedürfnis nach Alleinsein überkam. Sie war wie ein Wesen aus einer fernen, fremden, fast unbegreiflichen Welt. Das war vielleicht auch der Grund dafür, dass er sie immer noch liebte.
„Nun, mein lieber Julius, was führt dich zu mir?“
„Gerne würde ich verschwinden,
irgendwo im Nimmerland.
Keiner würde mich da finden,
ich wäre gänzlich unbekannt.“
„Hör auf zu reimen und sag mir was los ist!“

Sonntag, 26. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 7

Ja, er wollte Margot eine Liebeserklärung machen. Aber eigentlich liebte er Renate. Für sie, mit ihrem dohlenschwarzen Haar hatte er dieses Gedicht geschrieben:

DEIN HAAR
Dein Haar hat nie gekannte Düfte
Aus Wäldern, die die Nacht beschwor.
Ein Ruf geht durch die klar geweinten Lüfte;
Aus schwarzen Strähnen horcht dein Ohr.

Nur Klage, warm vom Mund getaut, -
Dein Leben wird sie tief erhören
Und jeden eingestürzten Laut
Zur Freude wieder mir bekehren.

Sieh, schon versucht ein Stern die äußern Lüfte.
Dein Blut behorcht mein inneres Ohr.
Dein Haar hat nie gekannte Düfte
Aus Wäldern, die die Nacht beschwor.

(Der literarisch interessierte Leser wird gleich erkannt haben, dass Julius dieses Gedicht abgeschrieben hat; der wahre Verfasser heißt Heribert Kühnapfel, abgedruckt wurde es in der kleinen Anthologie "Tristans Liebestriefen", Bayreuth 1997.)

Das auf gelbes Papier geschriebene Gedicht lag in der Schreibtischschublade. Julius nahm es heraus und verbrannte es in einem Aschebecher. Da fiel sein Blick auf die Pistole. Er stammelte:
Für mich gibt’s hier nichts mehr zu lachen,
Zeit ist es Schluss zu machen.
Beherzt ergriff er die Pistole und drückte den Lauf an seine Schläfe.

Samstag, 25. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 6

„Du schöne schwarze Dohle“ (Renate hatte nämlich dohlenschwarzes Haar!),
„gib mir jetzt die Pistole!“
„Nie und nimmer!“ schrie Renate und ballerte wie wild um sich, ohne aber einen der anwesenden Menschen zu treffen.
Da hechtete Margot sich unter dem Schreibtisch hervor und warf sich auf die sich wie wahnsinnig gebärdende Angreiferin, die ins Straucheln kam und zu Boden fiel. Die Pistole flog im hohen Bogen auf den Schreibtisch, Julius packte sie und sperrte sie in die Schreibtischschublade. Hier ist zu bemerken, dass diese Pistole noch einmal eine wichtige Rolle spielen könnte. Julius ahnte das...
Als er wieder aufblickte, sah er das unglaublichste Coming Out, das Bayreuth jemals erlebt hatte. Die beiden Frauen lagen aufeinander und küssten sich wie wild.
„Haut ab ihr Schlampen!“ schrie Julius, was selbige dann auch eng umschlungen taten.
Julius Schulze war entsetzt, entrüstet und tief traurig, denn gerade hatte er ja Margot seine Liebe erklären wollen und auf Renate Ronka hatte er auch ein Auge geworfen. Er nahm seine Notizen wieder vor und schrieb mit zitternder Hand:
So sind nun mal die Frauen,
ihnen ist nie zu trauen!

Donnerstag, 23. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 5

Doch zurück zu Julius Schulze, der gerade zu einer Liebeserklärung ansetzen will, doch da stürmt Renate Ronka ins Büro. Wobei man wissen muss, dass sie eine gute Sportschützin ist. Die Art wie Frau Ronka eine Waffe auseinander nimmt, lässt erkennen, dass sie versteht, mit Pistolen umzugehen. Ihre Griffe sind gewandt und flink. Mit einem Blick überzeugt sie sich, dass der Lauf spiegelblank ist... Doch sie bedroht nicht den armen Julius, sondern ihren Mann. Diesen Mann hat sie geliebt. Wirklich? Hat sie ihn geliebt? Fast möchte sie daran zweifeln. Aber das hieße, dass sie selbst um die letzten sieben Jahre ihres Lebens betrügen würde. Nur erfolglose Frauen sind sich selbst gegenüber unaufrichtig.
„Ich werde ihn umbringen!“ schreit sie und fuchtelt dabei mit ihrer Pistole herum.
„Warten Sie!“ ruft Julius (Margot hatte sich unter dem Schreibtisch versteckt und klammert sich an seine Beine.) „Sie haben diesen Mann doch geliebt!“
„Ja, gewiss, ich habe ihn geliebt. Ich habe ihn mehr geliebt als einen Menschen zuvor, und mehr, als ich je wieder die Kraft werde, einen Menschen zu lieben. Ich habe ihn mit meinem Fleische und Herzen geliebt, ich habe ihn mit meinen Küssen erstickt, ich habe die Tage und Wochen nicht mehr gezählt, ich habe nicht gewusst, ob es Sommer oder Winter war; denn um mich her war der ewige Frühling. Wenn Liebe Leidenschaft ist, dann bin ich eine Königin der Liebe gewesen; denn ich war trunken vor Glück und berauscht von Seligkeit. Aber dieses Glück brach. Heute noch werde ich diese Pistole in meiner Hand halten und auf sein Herz zielen. Und ich glaube nicht, dass ich sein Herz verfehlen werde.“
Julius hatte sich wie ein ordentlicher Professor Notizen gemacht und sagte:

Mittwoch, 22. September 2010

Geisteswissenschaftler

Jetzt wüssten Sie wohl gerne, wie es weitergeht mit Schulzes Verwirrungen. Doch ein bisschen Spannung muss ein, darum hier eine Kolumne von ihm. Er schreibt nämlich gerne kurze Kolumnen, KUKOs nennt er sie; z. B. über

GEISTESWISSENSCHAFTLER
Der Geisteswissenschaftler lebt im Elfenbeinturm. Wenn er diesen einmal verlassen sollte, dann trägt er große Scheuklappen, um möglichst wenig von der Realität mitzubekommen. Bücher liest er eigentlich kaum noch. Aber er ist in der Lage, über ungelesene Bücher zu reden oder zu schreiben, wobei er gerne den französischen Philosophen Derrida zitiert. Den hat er auch nicht gelesen, aber er kennt einige Zitate von ihm, die sich zu allem verwenden lassen. Mit Kollegen hat er wenig Kontakt. Wenn er ihnen begegnet, dann eher feindlich als freundlich. Man trifft sich natürlich bei Tagungen, bei denen auch immer wieder der französische Philosoph Derrida zitiert wird. Doch meist kommt man nur zum eigenen Vortrag und ist auch an Vorträgen der anderen Kollegen wenig interessiert. Die Vorträge erscheinen (oft Jahre) später in einem Sammelband, der aber nur von den Teilnehmern der Tagung wahrgenommen wird, vor allem wegen des eigenen darin enthaltenen Textes. Diese Bände verschwinden in den Kellern der Bibliotheken, die dafür viel Geld bezahlt haben. Oder in den Elfenbeintürmen, in denen die Geisteswissenschaftler hausen...

Montag, 20. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 3

Julius hat nichts dagegen, denn die Damen kann er gut für seinen Roman gebrauchen. Zu jeder macht er sich Notizen, z. B. zu Margot S.:
Margot setzt die Füßchen so flink eines vor das andere, dass man glauben könnte, sie würde sehr Wichtiges versäumen, wenn sie langsamer ginge. Margot ist ein Geschöpf, nach dem jedes Männerauge sich umsieht. Mittelgroß, schlank, helläugig und von jener zierlichen Behändigkeit, die auf ein lebensfrohes Gemüt schließen lässt.
Da kommt sie schon mit ihrer Einkauftüte
und ihrem fröhlichen Gemüte...
Julius hört ihr zu. Die ernste, tiefe und herzliche Zuneigung zwischen den beiden Menschen liegt dabei unausgesprochen zwischen ihnen. Aber heute drängt alles in Julius Schulze, einmal darüber zu sprechen. Er glaubt, dass die Zeit längst gekommen ist dafür und dass er möglicherweise bereits etwas versäumte. Aber es kommt nicht so weit.

Sonntag, 19. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 2

Wer mehr über diese merkwürdige Krankheit erfahren möchte, der lese des Essay "Der letzte Hippie" von Oliver Sacks (Reinbek 1996), doch uns hat das hier nicht weiter zu interessieren. Julius Schulze führte dieses Auskunftsbüro, doch das Ganze war nur eine Tarnung. In Wirklichkeit wollte er einen großen Roman schreiben, der mit den folgenden Worten beginnen sollte:
Die dunklen Augen des Mädchens schienen sich in unbekannte Fernen zu richten.
Weiter war er bisher noch nicht gekommen. Er wurde auch dauernd abgelenkt. Von schönen Frauen, die ihn in seinem Auskunftsbüro besuchten. Denn Julius war ein attraktiver Mann, schlank und groß, und trug immer feine Anzüge, Schlips und Krawatte. Zwar alles von der Stange, doch die Bayreuther Frauen waren froh, überhaupt einmal einen halbwegs passablen Mann in ihrer Nähe zu wissen. Ihre Männer, die meisten jedenfalls, hatten eine Geliebte, zumindest vermuteten das die Frauen, und so gab es gute Gründe eine Detektei aufzusuchen.

Donnerstag, 16. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze

Im Nachlass Ramsenthalers befindet sich unter dem o. g. Titel ein Romanfragment, das wir ab heute hier 'abdrucken'. Der Roman spielt teilweise in Bayreuth, ist aber, wie der Autor ausdrücklich vermerkt, frei erfunden. " Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig."

Professor Schulze führte in Bayreuth ein Detektivbüro, genauer gesagt: ein Auskunftsbüro. "Auskünfte aller Art erteilt Prof. Dr. Julius Schulze" war draußen an der Tür zu lesen. Schulze war wirklich einmal Professor gewesen, Professor für Indogermanistik an einer Bayerischen Universität. Krankheitshalber war er in den vorgezogenen Ruhestand versetzt worden. Er litt nämlich an einer Vergrößerung der Stirnlappen des Gehirns. Das Resultat war eine krankhafte Reim- und Witzelsucht, die von den Kollegen nicht länger geduldet wurde. Kam zum Beispiel bei einer Tagung die Rede auf den französischen Philosophen Derrida (was häufig geschah), flüsterte Schulze: Der große Derrida war ziemlich sonderbar. Er flüsterte dies nicht nur, er sang es auch nach einer bekannten Opernmelodie...

Montag, 13. September 2010

Waltraute

Man nannte sie Waltraute,
sie schwindelte und klaute
alles was nicht nagelfest
vom Kaugummi zum Essensrest.

Mit Wotan trieb sie's nebenbei,
und er verlor dabei ein Ei
und seine Augenklappe...
Ja, sie war nicht von Pappe!

Sonntag, 5. September 2010

Pause

Ramsenthaler macht Urlaub!