Sonntag, 26. September 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 7

Ja, er wollte Margot eine Liebeserklärung machen. Aber eigentlich liebte er Renate. Für sie, mit ihrem dohlenschwarzen Haar hatte er dieses Gedicht geschrieben:

DEIN HAAR
Dein Haar hat nie gekannte Düfte
Aus Wäldern, die die Nacht beschwor.
Ein Ruf geht durch die klar geweinten Lüfte;
Aus schwarzen Strähnen horcht dein Ohr.

Nur Klage, warm vom Mund getaut, -
Dein Leben wird sie tief erhören
Und jeden eingestürzten Laut
Zur Freude wieder mir bekehren.

Sieh, schon versucht ein Stern die äußern Lüfte.
Dein Blut behorcht mein inneres Ohr.
Dein Haar hat nie gekannte Düfte
Aus Wäldern, die die Nacht beschwor.

(Der literarisch interessierte Leser wird gleich erkannt haben, dass Julius dieses Gedicht abgeschrieben hat; der wahre Verfasser heißt Heribert Kühnapfel, abgedruckt wurde es in der kleinen Anthologie "Tristans Liebestriefen", Bayreuth 1997.)

Das auf gelbes Papier geschriebene Gedicht lag in der Schreibtischschublade. Julius nahm es heraus und verbrannte es in einem Aschebecher. Da fiel sein Blick auf die Pistole. Er stammelte:
Für mich gibt’s hier nichts mehr zu lachen,
Zeit ist es Schluss zu machen.
Beherzt ergriff er die Pistole und drückte den Lauf an seine Schläfe.

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