Freitag, 25. Februar 2011

Aufzeichnungen aus der Klinik

Heute bekam ich einen Brief von einem alten Freund, in dem es heißt:

"...wenigstens 80 % der sog. Psychotherapie sind therapeutischer Schwachsinn oder larvierte Entwertung und Entwürdigung.
Nebenbei gesagt haben die meisten Psychotherapeuten ein dickes Ding mit sich selbst am Laufen."

Ist das wirklich so? Mein Bezugstherapeut, ein so netter, fürsorglicher Mensch, sollte er auch ein dickes Ding mit sich selbst am Laufen haben? Den ganzen Tag denke ich darüber nach. Gegen zehn Uhr abends schlafe ich zwar gleich ein, doch in der Nacht um zwei wache ich auf und ich grüble weiter darüber nach. Therapeutischer Schwachsinn oder larvierte Entwertung und Entwürdigung? Das darf doch wohl nicht sein! Ich brauche einen Tasse Entspannungstee. „Nuit tranquille“, eine französische Marke, von der ich immer einige Beutel im Gepäck habe.
Auf der Station gibt es um diese Zeit kein heißes Wasser mehr. Aber unten bei der Rezeption gibt es noch einen Warmwasserspender. Da sitze ich nun auf einem der Ledersofas. Um mich herum absolute Leere und Stille, wo tagsüber immer Hunderte von Menschen hin und her gehen. Hier könnte ein Horrorfilm beginnen. Fortsetzung im Kellergeschoss in einem der endlosen, weiß gekachelten Gänge... Irgendwo lauert Jack Nicholson mit seiner Axt!
Im Grunde sind wir alle gleich. Jeder hat mindestens ein dickes Ding mit sich selbst am Laufen.
Ein Gedicht fällt mir ein:

Ich bin du bist
Wir sind ihr seid
Wir tragen all das gleiche Kleid
Wir haben alle nichts zu lachen
Und müssen trotzdem weitermachen

Ich weiß es nicht mehr genau: Heißt es ‚müssen’ in der letzten Zeile? Oder sollen, dürfen, können, werden...?

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