Samstag, 2. Oktober 2010

Die Verwirrungen des Professors Schulze 9

„Ich habe Probleme mit Frauen.“ Julius flüsterte diese Worte.
„Ach, das ist ja ganz was Neues“, spottete Agathe.
„Du weißt nicht, wie das alles angefangen hat. Mit Gertrude. An einem Winterabend. Wir saßen am Kamin, die Winterhelle wich schnell der Dämmerung, wir horchten in die Stille. Wir saßen nebeneinander, unsere Hände hatten sich gefunden. Wir schwiegen. Es ist eine Eigentümlichkeit mancher Menschen, oftmals geradeaus auf ein Ziel loszusteuern und zu klären, was geklärt werden muss. Gertrude hatte diese Art von ihrem Vater geerbt, ihrem Vater, der als Rechtsanwalt und Stadtrat in Bayreuth einen guten Ruf hatte. Jetzt tat Gertrude, was getan werden musste, sie legte einfach ihren blonden Kopf an meine Schulter. Das bewog mich, über das blonde Haar zu streicheln, das sich so seidenweich anfühlte und so eigenartig duftete. Es war kein langer Weg von dem Haarestreicheln zum In-die-Arme-nehmen. Ganz von selbst bot sich mir der weiche rote Mund dar, und der erste Kuss, den Gertrude schenkte, war wie eine Erlösung. Alles Herbe, alles Beherrschte, alles Gestaute schwand wie im Zauberschlage. Gertrude schlang ihre Arme um meinen Hals, als wollte sie nur meine Nähe, nur meinen Mund, nur mich. Wir legten Wagners Tristan auf...“
„Halt!“ rief Agathe. „Da haben wir es doch schon. Du hattest es immer zu einfach mit den Frauen!“

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