Dienstag, 23. Oktober 2012

Berichte über Jean Paul


Ramsenthaler liebte Jean Paul. In seinem Zimmer hing einer seiner Aphorismen:
„Wer nicht Mut hat, auf seine eigne Art närrisch zu sein, hat ihn auch schwerlich, auf seine eigene  klug zu sein.“
Vermutlich hat er nicht einmal viel von ihm gelesen, aber sehr viel über ihn. In seinem Nachlass befindet sich ein Heft mit vielen Berichten seiner Zeitgenossen über diesen kauzigen Dichter aus Wunsiedel. Zum Beispiel:
„Es war in der Halbdämmerung, als ich zu dem Kandidaten Richter unangemeldet hineintrat; eine ärmliche, geräumige und reinliche Stube präsentierte mit im Vordergrunde ein altes, zusammengetrocknetes Mütterchen (Jean Pauls Mutter), und im Hintergrunde (von der Tür aus) saß zwischen zwei einfachen Bücherrepositorien an einem simplen Schreibtisch mein Schriftsteller mit der Feder in der Hand. – Wie aus einem phantastischen Traume sprang er ((...)) auf, gerade eine Gestalt, wie ich sie mir geträumt hatte, und empfing mich mit einem Eintrittskompliment so ungeheuchelt herzlich und in einer so ekstatischen Wonne, dass in den folgenden Minuten unsre Seelen wir Blitze ineinanderfuhren; ich war der erste Fremde, der ihn, den Gelehrten, den Autor, besuchte, er konnte sich in einem gewissen innigen Gefühl von Behaglichkeit gar nicht finden, drückte und herzte mich wie einen langersehnten Bruder, und unser geistiger Bund war geschlossen. Es schien, als hätten wir schon viele Jahre bei einander gewohnt – mit jedem Pulsschlage kamen sich unsre Geister näher, mit jedem Odemzug zogen sich die Schlingen unsrer gegenseitigen Phantasie fester, Hand in Hand wandelten wir auf und nieder, eine Flache des schönsten Champagners vervielfachte die Wirksamkeit unsrer Seele, wir flogen von Sphäre zu Sphäre, unsre Trennung war wie das Auseinanderfließen zweier Ströme, die eine Zeitlang über die blumigsten Wiesen sich gemeinschaftlich ergossen hatten und nun schneller dahinstürzen, um bald wieder mit einander sich zu vereinigen.“

(Aus einem Brief von Georg von Ahlefeldt an Wilhelmine von Kropff vom 15. Januar 1796)

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